Ur – Abrahams Heimatstadt

Terach nahm seinen Sohn Abram, seine Schwiegertochter Sarai und seinen Enkel Lot, das Kind seines Sohnes Haran, und verließ Ur in Chaldäa, um ins Land Kanaan zu ziehen (1. Mose 11,31).

Ur – dieser Name spricht für sich. Auf der Suche nach dem in der Bibel erwähnten Ur in Chaldäa entdeckte man die wahrhaft ur-alte Kultur Mesopotamiens, deren Wurzeln zurückreichen zu den Anfängen der menschlichen Zivilisation.

Das Ur, das die meisten konservativen Theologen heute mit der Heimat Abrahams und seines Vaters Terach gleichsetzen, liegt etwa 120 Kilometer westlich der Mündung des Euphrat und des Tigris in den Zusammenfluss Schatt al-Arab, der bei Basra in den Persischen Golf mündet. Gleich daneben liegt der Militärflughafen Tallil (5), auf dem in Google Earth zahlreiche Hubschrauber und Flugzeuge zu entdecken waren. Nach dem letzten Daten-Update sind die Landebahnen aber wie leer gefegt. Tallil war ein wichtiger Stützpunkt der irakischen Armee und wurde schon 1991 während des zweiten Golfkriegs bombardiert.


Ur (A): 30.9435N, 46.11.79E – Sichthöhe: etwa 8 Kilometer. Die Umrandung des Tells (4) und der Militärflughafen Tallil (5).

Aus archäologischer Sicht ist die Geschichte der Stadt Ur tragisch: Noch Mitte des 19. Jahrhunderts stand hier eine vollständig erhaltene Zikkurat, die seit undenklichen Zeiten als Tell al-Muqayyar bekannt war – der Stufenhügel. Dieser Turm war eine Kultstätte für den Mondgott Nannar und war noch im ursprünglichen Zustand. Die Zikkurat zu Ur ist kleiner als der Turm von Babel, die Grundfläche misst 55 mal 40 Meter.

1854 kam eine britische Karawane unter Führung des Konsuls in Basra, J. E. Taylor, nach Ur, um nach Schätzen für das Britische Museum in London zu suchen. Er ließ den Stufenturm von oben her abtragen und fand schließlich einige Tonzylinder mit Inschriften, die jedoch in jener Zeit angesichts überwältigender Funde in Nord-Mesopotamien (z.B. in Ninive) verblassten. So gaben die Briten ihre Anstrengungen auf und erst 75 Jahre später entdeckten andere die unermesslichen Schätze der Chaldäerstadt. Unterdessen bedienten sich Araber an dem kostenlosen Baumaterial und beluden ihre Lasttiere mit Ziegeln der alten Zikkurat.

Unter den Offizieren der britischen Truppen, die im Ersten Weltkrieg Richtung Bagdad marschierten, war R. Campbell Thompson, in Friedenszeiten Assistent im Britischen Museum. Er erteilte dringenden Bericht nach London angesichts des verfallenen Bauwerks und der vermuteten Siedlungsruinen. Und so wurden die inzwischen in Vergessenheit geratenen Tonzylinder genau untersucht.

Nun erst stellte sich heraus, dass es sich hier um das Ur der Bibel handeln musste und dass babylonische Herrscher im 6. Jahrhundert v. Chr. – darunter Nebukadnezar – bestrebt waren, die alte Zikkurat zu renovieren. Viele weitere Keilschrifttexte bestätigten: Ur war eine der wichtigsten Städte der Sumerer, der ersten Hochkultur der Menschheitsgeschichte.


Die Reste der Zikkurat von Ur: auch heute noch ein imposantes Bauwerk.

1922 kam eine Expedition um den bekannten Archäologen C. Leonard Woolley nach Ur und begann mit systematischen Ausgrabungen auf den Tells, den alten Siedlungshügeln. Er grub sechs Winterhalbjahre lang und entschlüsselte die Ereignisse der menschlichen Frühgeschichte.

Die Schätze von Ur

C. Leonard Woolley und seine Helfer förderten einen heiligen Bezirk mit den Resten von fünf Tempeln zutage, die die einst von König Ur-Nammu erbaute Zikkurat (1) im Halbkreis umgaben. Einer davon (2) ist heute noch gut erhalten und aus der Luft gut zu sehen. Jeder Tempel hatte einen Innenhof, umgeben von zahlreichen Räumen. In ihnen fand man noch Wassertröge und Backöfen in sehr gutem Zustand, sodass Woolley vermerkte: »Nach 38 Jahrhunderten konnte man die Feuer wieder anzünden und die älteste Küche der Welt wieder in Betrieb setzen.«


Ur (B): 30.9610N, 46.1055E – Sichthöhe: etwa 800 Meter. Der Tell von Ur enthält neben der Zikkurat (1) die Überreste mehrerer alter Tempel (2) und Wohnhäuser (3). Teilweise wurden Gebäude von den Irakern restauriert.

Die Ausgräber fanden einen reichen Schatz an Lehmtäfelchen, die Steuerquittungen und weiteren Schriftverkehr enthielten. So gab die Entzifferung dieser schriftlichen Zeugnisse viele Geheimnisse der antiken sumerischen Kultur preis. Auch Königsgräber wurden gefunden, die weitere Einblicke in die frühe Kultur Urs gaben.

Südlich der Zikkurat gruben die Archäologen Privathäuser aus, die zuvor in Babylon gefundene Wohnungen bescheiden aussehen ließen: Die Einwohner von Ur lebten in mehrstöckigen, prächtigen Villen. Eine dieser Villen (3) wurde restauriert und wird als »Terachs und Abrahams Wohnhaus« den Besuchern gezeigt.

Saddam Hussein ließ dieses Gebäude neu errichten, als Papst Johannes Paul II. Anfang der 1990er-Jahre eine Reise in den Irak in Erwägung zog. Ein großer Parkplatz wurde angelegt, damit sich Touristen und Pilger ein Bild davon hätten machen können, wie die biblischen Patriarchen wohl gelebt haben mögen. Es ist aber bisher nicht zu einer Papstreise gekommen und Touristen sind im Irak – mit Ausnahme amerikanischer Soldaten – sehr selten.