Ein Pilgerfest am Landeplatz der Arche Noah

Moscheebau auf dem Gipfel des Cudi Dagh

9. Juli 2025

von Timo Roller

Hierzulande würde man ihn vielleicht mit Santiago de Compostela vergleichen – im fernen Südosten der Türkei verglich man ihn am vergangenen Wochenende mit Mekka: Den Pilgerort »Sefine« (»Schiff«), eine Ruine auf dem Berg Cudi Dagh, die an ein uraltes Schiff erinnert: an die Arche Noah. Den Muslimen ist dieser Platz heilig, Noah ist nach dem Koran ein wichtiger Prophet. Der oberste Geistliche der Türkei, Prof. Dr. Ali Erbaş, war zugegen, um zu pilgern, zu predigen, zu beten und Tauben fliegen zu lassen.

Foto: Talat Akıl

In der muslimisch geprägten Türkei gehörten wohl die allermeisten Pilger dem Islam an, am 5. Juli wurde auf dem heiligen Gipfel das Aschura-Fest gefeiert. Unter verschiedenen muslimischen Konfessionen wird dieses Fest je unterschiedlich gefeiert: In der Türkei gedenken die Gläubigen an die Errettung der Arche Noah. Im Rahmen der Festtags-Zeremonien wurde auf dem Cudi der Grundstein für eine Moschee gesetzt, die dort nun gebaut werden soll – als Fortführung einer Verehrungs- und Pilgergeschichte, die sich mindestens 3000 Jahre zurück in die Vergangenheit verfolgen lässt.

Auch syrische Christen aus dem Gebiet des benachbarten Tur Abdin haben in YouTube-Beiträgen und bei gemeinsamen Fototerminen in der jüngeren Vergangenheit die Bedeutung dieses Ortes betont. Muslime, Christen und noch viel früher Assyrer und Hurriter hatten hier einen heiligen Ort, der Pilgerscharen anzog. Dies endete irgendwann in der Mitte des 20. Jahrhundert und nur noch ganz vereinzelt gab es Menschen, die diesen Gipfel erklommen. Aus dem »Westen« waren es einige wenige, über die ich dann im Jahr 2013 einen Vortrag an der Universität Sirnak hielt.

Pilgerfest um das Jahr 1950, Fotograf unbekannt. Siehe: »Das Rätsel der Arche Noah«, S. 170.

Denn seit fast 20 Jahren steht dieser Berg Cudi nun im Blickfeld meiner eigenen Forschungen. Während bei den meisten Christen der bekannte Vulkankegel Ararat mit seinen zahlreichen Sensationsmeldungen die Blicke auf sich gezogen hat, deuten historische Beweise eindeutig zum Berg Cudi.

Anhaltende Konflikte machten diesen Berg zu einer politisch sehr unruhigen Gegend. Kurdische Unabhängigkeitskämpfer verschanzten sich hier, die nicht selten zu terroristischen Methoden griffen. Die türkischen Armee schlug nicht gerade zimperlich zurück und vertrieb die restlichen Kämpfer mit einer gezielten Militäraktion schließlich im Jahr 2020.

Blick zum Gipfel des Berges Cudi aus Sirnak – aus 17 Kilometer Entfernung, Foto: Timo Roller, 2013.

Nach einer nur kurzen Friedenszeit 2013 – die genau an jenem Tag endete, als ich selbst den Berg besuchen wollte – gab es nun für Einheimische wieder Gelegenheiten, auf den Berg zu kommen. Zunächst nur unter scharfer militärischer Bewachung, inzwischen scheint zu den Pilgeranlässen ein gewisser Massentourismus – zumindest von Einheimischen – eingesetzt zu haben. Die Straßen, Parkplätze und Gebäude, die in den letzten paar Jahren gebaut wurden, lassen vermuten, dass die »Sefine« aus ihrem Schattendasein heraustreten und zumindest in der Türkei in Zukunft stärker wahrgenommen wird.

Ich habe die Hoffnung, eines Tages selbst zu diesem Berggipfel zu pilgern und ihm endlich näher zu kommen, als im Jahr 2013, als ich vom Hotelfenster aus 17 Kilometer von ihm entfernt war.

Impressionen vom 5. Juli 2025, Bildzitate von verschiedenen Social-Media-Seiten.

 

 

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