Jerusalem – Gottes Stadt

Nur 22 Kilometer Luftlinie von Jericho entfernt und etwa 1000 Meter höher liegt eine Stadt, die Jericho an Superlativen noch übertrifft: Keine andere Stadt wird von so unterschiedlichen Menschen so sehr geliebt und verehrt, keine andere Stadt wurde so oft umkämpft und erobert, keine andere Stadt ist auch heute noch so umstritten wie Jerusalem. Und von keiner anderen Stadt heißt es in der Bibel: »Gott selbst wohnt in den Palästen Jerusalems und beschützt seine Stadt« (Psalm 48,4). Von allen Städten spielt Jerusalem in der Bibel die Hauptrolle!


Juden in Jeruschalajim, wie der hebräische Name lautet: Stadt des Friedens. Diesem Namen wurde die Stadt nur selten gerecht. Wo die drei Weltreligionen beten, gibt es auch heute kein friedliches Zusammenleben.

Dabei liegt Jerusalem weder am Meer noch an einer Handelsstraße, hat weder Bodenschätze noch Industrie, ja nicht einmal genügend Trinkwasser. Sie ist keine Weltstadt wie Paris, London oder gar New York. Die Fäden der Weltpolitik werden woanders gezogen, in Washington, Moskau oder Genf. Jerusalem ist die offizielle Hauptstadt Israels, doch aufgrund des Streites mit den Palästinensern und deren Anspruch auf die Stadt befinden sich die meisten diplomatischen Vertretungen in Tel Aviv. Aber trotzdem: Keine andere Stadt bestimmt das weltweite tägliche Nachrichtengeschehen so sehr wie Jerusalem!

Die 5000-jährige Geschichte Jerusalems

Jerusalem ist sehr alt. Ausgrabungen im Bereich der Gihonquelle förderten eine Ansiedlung aus dem späten 4. bis frühen 3. Jahrtausend v. Chr. zutage.

Abraham begegnete im Land Kanaan Melchisedek, dem Priester-König von Salem (vgl. 1. Mose 14,18) – das war um etwa 2000 v. Chr. Im Buch Josua wird im zehnten Kapitel Adoni-Zedek erwähnt, ein weiterer König von Jerusalem, der gegen Israels Verbündete kämpfte und später von Josua getötet wurde. Die Stadt selbst, die damals auch Jebus genannt wurde, vermochten die Israeliten aber vorerst nicht zu erobern: »Die Jebusiter, die in der Stadt Jerusalem lebten, konnte der Stamm Juda jedoch nicht vertreiben; daher leben die Jebusiter dort bis heute zusammen mit den Angehörigen Judas« (Josua 15,63).

Erst König David besiegte die Jebusiter: Durch einen unterirdischen Wasserkanal krochen seine Soldaten im Jahr 1004 v. Chr. in die Stadt und so eroberte er Jerusalem und ernannte sie zur Hauptstadt Israels.

David ließ die Bundeslade und die Stiftshütte nach Jerusalem bringen und machte die neue Hauptstadt dadurch auch zum religiösen Zentrum. Er beschloss, anstelle der Stiftshütte einen Tempel zu bauen, doch Gott verwehrte es ihm: »Nicht du sollst ein Haus zu Ehren meines Namens bauen, denn du hast in vielen Schlachten gekämpft und viel Blut vergossen« (1. Chronik 28,3). So fiel es seinem Sohn Salomo zu, den Tempel Gottes zu bauen und ein großes Reich in Frieden zu regieren. Um 960 v. Chr. wurde der Tempel in Jerusalem eingeweiht.

Nach der Teilung Israels blieb Jerusalem Hauptstadt des Südreiches Juda. Nachdem das Nordreich an die Assyrer gefallen war, eroberten diese
innerhalb von 20 Jahren auch sehr viele Städte des Südreiches, bis sie 701 v. Chr. Jerusalem belagerten. Doch Jerusalem hielt stand! 185.000 assyrische Soldaten starben in der Nacht vor dem Angriff durch einen von Gott geschickten Todesengel, sodass ihr König Sanherib (siehe auch S. 31) den Befehl zum Rückzug gab.

587 v. Chr. jedoch waren auch Jerusalems Tage gezählt. Die Stadt wurde vom babylonischen König Nebukadnezar (S. 18) nach anderthalbjähriger Belagerung erobert und zerstört. Der Tempel ging in Flammen auf, die Bundeslade ging verloren und ist bis heute nicht mehr wiedergefunden worden. Die Bevölkerung Judas wurde ins Exil nach Babylon verschleppt.

Als die Perser das babylonische Reich erobert hatten (538 v. Chr.), gestattete König Kyrus den Juden die Heimkehr. Die Perser unterstützten sogar den Wiederaufbau des zerstörten Tempels, der 515 v. Chr. fertiggestellt wurde. Unter dem Schriftgelehrten Esra und dem Statthalter Nehemia wurde 60 Jahre später auch Jerusalem neu aufgebaut und durch eine mächtige Mauer gesichert.

Im Jahre 164 v. Chr. wurde Jerusalem ein letztes Mal in der Antike souveräne Hauptstadt: Judas Makkabäus führte in den Jahren zuvor einen Aufstand gegen den Seleukidenherrscher Antiochus IV. Epiphanes an, der den jüdischen Glauben verboten und den Tempel geschändet hatte. Nach seinem Sieg gründete Makkabäus die Hasmonäerdynastie, die Juda bis zum Einmarsch der Römer im Jahre 63 v. Chr. regierte.

Nach der Eroberung durch Rom wurde im Jahre 40 v. Chr. Herodes der Große zum römischen Vasallenkönig über die Provinzen Judäa und Galiläa ernannt. Er wählte drei Jahre später Jerusalem zu seinem Regierungssitz und begann 19 v. Chr., den Tempel prunkvoll auszubauen und unter anderem um seinen Wohnsitz, die Burg Antonia, zu erweitern.

Herodes herrschte als Despot. Er war es, der nach Jesu Geburt alle Kinder in Bethlehem, die zwei Jahre und jünger waren, töten ließ. Bald darauf starb er.

HERODES DER GROSSE: Herodes der Große wurde um 73 v. Chr. geboren und sicherte sich mit römischer Hilfe im Jahr 37 v. Chr. die Herrschaft in Judäa. Er ließ die Ausübung des jüdischen Glaubens unbehelligt und baute sogar großzügig den Tempel aus. Er war ein großer Bauherr, aber auch ein grausamer Tyrann. Nach seinem Tod teilte Kaiser Augustus sein Herrschaftsgebiet unter seinen Söhnen Archelaos, Herodes Antipas und Herodes Philippos auf. Das Todesjahr des Herodes wird überall mit 4. v. Chr. angegeben und basiert auf einer Mondfinsternis, die der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus erwähnte. Der Wissenschaftler Dr. Werner Papke zieht eine andere Mondfinsternis in Erwägung und vermutet den Tod des judäischen Königs im Jahr 1 v. Chr. Diese Vermutung spielt in den Betrachtungen zum Stern von Bethlehem eine Rolle.

Jesus und Jerusalem

Die Jünger Jesu waren vom Anblick des Tempels überwältigt: »Lehrer, sieh nur diese herrlichen Bauten! Welch gewaltige Steine sind in diesen Mauern!« (Markus 13,1). Wer einmal vor der Klagemauer gestanden hat oder gar den Western Stone im Tunnel entlang des Tempelbergs gesehen hat, kann das Staunen der Jünger nachvollziehen: Der schwerste Stein, der in der Mauer verbaut ist, wiegt schätzungsweise knapp 600 Tonnen, gilt als das schwerste jemals von Menschenhand ohne Hilfe von Maschinen angehobene Objekt und niemand weiß, wie man ihn damals an seine Stelle schaffen konnte.

Jesus dagegen ließ sich von der äußeren Pracht nicht beeindrucken,
sondern sagte ihnen, was dem Tempel bevorstand: »Diese prachtvollen Bauten werden so vollständig zerstört werden, dass nicht ein Stein auf dem anderen bleibt« (Markus 13,2).


Als »Western Stone« wird der schwerste jemals verbaute Stein bezeichnet. Er ist 13,6 Meter lang. Die Tafel rechts im Vordergrund zeigt die Anordnung der Schichten.

Während des Jüdischen Krieges 66 bis 73 n. Chr. wurde Jerusalem von den Römern belagert. Die Belagerung begann während des Passahfestes, als sich Bewohner und Pilger in der Stadt aufhielten, insgesamt über eine Million Menschen. Flavius Josephus, Augenzeuge des Krieges, schreibt: »Jede Hoffnung auf Flucht und Beschaffung von Nahrungsvorräten war jetzt von den Juden gewichen, der Hunger verschlang Tausende über Tausende. Auf den Gassen häuften sich die Toten, da die Überlebenden nicht genug Kraft hatten, die Toten zu begraben, und sogar mit ihnen ins Grab fielen. Kein Trauern war in Jerusalem zu hören, denn der Hunger lähmte alle Gefühle.«

Die Diaspora – Vertreibung der Juden aus Jerusalem

Als sie die Stadt schließlich eroberten, verfielen die römischen Soldaten in einen Blutrausch. Sie metzelten alles nieder, was lebte – Menschen und Vieh. Obwohl der Feldherr Titus die Bauwerke erhalten wollte, steckte ein Soldat den Tempel in Brand. Die Überlebenden, die sich in den Tempel geflüchtet hatten, waren eingeschlossen und verbrannten. Insgesamt forderte der Jüdische Krieg 1,1 Millionen Opfer.

Mit einem Teil der geraubten Schätze finanzierte man in Rom den Bau des Kolosseums: Ex manubis (Aus der Kriegsbeute) ist dort in einer Inschrift vermerkt worden.

Titus folgte im Jahr 79 n. Chr. seinem Vater auf den Kaiserthron. Doch bereits zwei Jahre später starb er.

Sein Bruder und Nachfolger Domitian ließ ihm zu Ehren einen Triumphbogen neben dem Forum in Rom errichten, den noch heute erhaltenen Titusbogen. Ein Relief des Titusbogens zeigt eine Szene des Triumphzuges, in der auch die heiligen Beutestücke aus Jerusalem zu sehen sind: der siebenarmige Leuchter, der Tisch mit den Schaubroten und die Posaunen. Die Bundeslade ist nicht zu sehen. Mehr darüber im Kapitel Europa (siehe S. 152: Rom).


Für die Juden ein Symbol der Trauer: der Titusbogen in Rom.

Die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. brachte den Römern noch keine Genugtuung. Als Vergeltung für den Bar-Kochba-Aufstand in den Jahren 132 bis 135 pflügten sie die Überreste Jerusalems mit einem Joch Ochsen um. Damit erfüllten sie, ohne es zu wissen, die Prophetie aus Micha 3,12: »Wegen euch wird Zion zu Ackerland umgepflügt und Jerusalem zu einem Trümmerhaufen gemacht werden und auf dem Tempelberg wird Gestrüpp wuchern.« Anstelle von Jerusalem bauten sie die Garnisonsstadt Colonia Aelia Capitolina. Damit verfolgten die Römer dasselbe Ziel wie mit der Umbenennung des Landes in Palästina: die Auslöschung der jüdischen Vergangenheit in den Köpfen der Menschen. Juden war von nun an das Betreten der Stadt verboten.

Erst nach der Pilgerreise der Mutter von Kaiser Konstantin, der Heiligen Helena, im Jahr 326, und als das Christentum unter Theodosius I. im Jahr 391 schließlich römische Staatsreligion wurde, erwachte eine neue Liebe zu Jerusalem. 395 wurde das römische Weltreich in Ostrom und Westrom geteilt. Byzanz, das heutige Istanbul, war Hauptstadt des Oströmischen Reiches. In jener Zeit wurde Jerusalem als christliche Pilgerstätte mit vielen Kirchen wiederaufgebaut. Die Perser jedoch eroberten Jerusalem im frühen 7. Jahrhundert und zerstörten die Stadt.

Auch die Moslems zeigten wenig Interesse an der jüdischen Vergangenheit Jerusalems: Sie erbauten 691 den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee – genau an der Stelle, wo früher der Tempel stand. Außerdem mauerten sie um das Jahr 1200 das Goldene Tor zu, durch das der Messias nach jüdischer Überzeugung bei seiner Ankunft die Stadt betreten wird.

Die Herren Jerusalems kamen und gingen: 1099 die Kreuzritter, 100 Jahre später der kurdische Sultan Saladin, später herrschten die Mamelucken über die Heilige Stadt und schließlich die türkischen Osmanen, genau 400 Jahre lang von 1517 bis 1917. So war Jerusalem seit 638 – nur unterbrochen durch die Herrschaft der Kreuzritter – in moslemischer Hand.

Die Türken traten an der Seite Deutschlands in den Ersten Weltkrieg ein und wurden von den Briten besiegt. Am 11. Dezember 1917 eroberten diese unter General Allenby Jerusalem. Sie beendeten die osmanische Herrschaft und erhielten vom Völkerbund das Mandatsrecht über Palästina. In dieser Zeit begann Jerusalem, wieder aufzublühen, und dehnte sich nach Westen aus, wo die heutige Neustadt entstand.


Auf dem heiligsten Platz der Juden stehen seit über 1300 Jahren zwei islamische Heiligtümer, am bekanntesten ist der Felsendom.

1947 beschloss die UNO, das Mandatsgebiet in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen und Jerusalem unter internationale Verwaltung zu stellen. Dazu kam es aber nicht, denn der neue jüdische Staat wurde sofort angegriffen von seinen arabischen Nachbarn, die den UNO-Beschluss ablehnten. Am Ende dieses Unabhängigkeitskrieges besaß Israel mehr Land als im Teilungsplan vorgesehen und darüber hinaus den Westteil Jerusalems, der seit 1950 das Parlament – die Knesset – und die meisten Ministerien beherbergt. Der Ostteil wurde von Jordanien erobert. Sie vertrieben die ansässigen Juden, zerstörten das jüdische Viertel und schändeten die jüdischen heiligen Stätten, indem sie Synagogen in Ställe umwandelten und Grabsteine zum Bau von Toiletten und Straßen verwendeten.

Nach 1900 Jahren wieder jüdische Hauptstadt

1967 geriet Israel zunehmend in Bedrängnis und wurde zu einem militärischen Präventivschlag gezwungen. Dabei eroberte es unter anderem den Ostteil Jerusalems, in dem sich der ehemalige Tempelplatz befindet. Weinend standen die Soldaten am 7. Juni 1967 vor der Klagemauer, dem einzigen Überrest des alten Tempels. Zum ersten Mal seit fast 2000 Jahren
konnten Juden wieder den Tempelberg, das Zentrum des jüdischen Glaubens, betreten, was heute allerdings durch den geltenden Status quo faktisch nicht mehr möglich ist: Ein Betreten durch den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon im Herbst 2000 nahmen die Palästinenser zum Vorwand, ihre zweite Intifada zu beginnen.

Das israelische Parlament erklärte Jerusalem 1980 zur unteilbaren Hauptstadt Israels.

Mehr über die Geschichte Israels und auch über den Nahostkonflikt erfahren Sie unter <www.einzigartiges-israel.de>.

Diese wechselvolle Geschichte hat Spuren in der Stadt hinterlassen, die einen Besuch mit Google Earth sehr lohnenswert machen. Heute ist Jerusalem auf der einen Seite religiöser Mittelpunkt des Judentums, heiliger Ort der Moslems und Pilgerstätte des Christentums – andererseits eine moderne, pulsierende Großstadt mit über 700.000 Einwohnern und Hauptstadt des einzigen jüdischen Staates der Erde.


Jerusalem (A): 31.7790N, 35.2156E – Sichthöhe: etwa 9 Kilometer. Interessante Plätze außerhalb der unten beschriebenen Zentren sind der Bahnhof (1) und die Hebräische Universität (2) auf dem Skopusberg.

Der Tempelberg

An einem Punkt konzentriert sich die Spannung des Nahostkonflikts ganz besonders: Der Tempelberg in Jerusalem ist der Ort, an dem über Jahrhunderte der jüdische Tempel stand und der somit für die Juden bis heute heilig ist. An der Westmauer des Tempelplateaus, der Klagemauer, beten sie zu Gott und stecken kleine Zettel mit Gebeten in die Mauerspalten.

Wo früher der Tempel stand, steht seit 691 der Felsendom. Der Omaijadenkalif Al-Walid I. (Regierungszeit: 705–715) baute an der Stelle einer justinianischen Muttergottes-Basilika an der Südseite des Tempelbergs die Al-Aqsa-Moschee. Die Araber nennen den Tempelberg Haram el-Sharif (Erhabenes Heiligtum) und für den Islam ist er nach Mekka und Medina die drittheiligste Stätte.

Nach rabbinischer Auffassung ist der Tempelberg der Nabel der Welt, hier habe Gott die Erde entnommen, aus der er Adam formte. Nach 1. Mose 22,2 zog Abraham ins Land Morija, um dort seinen Sohn zu opfern: »Nimm deinen einzigen Sohn Isaak, den du so lieb hast, und geh mit ihm ins Land Morija. Dort werde ich dir einen Berg zeigen, auf dem du Isaak als Brandopfer für mich opfern sollst.«

»So begann Salomo mit dem Bau des Hauses des Herrn auf dem Berg Morija in Jerusalem, wo der Herr seinem Vater David erschienen war. Es wurde auf dem Land des Jebusiters Arauna errichtet, an dem Ort, den David dafür bestimmt hatte« (2. Chronik 3,1). David hatte dem Jebusiter zuvor seinen Dreschplatz, der sich auf dem Hügel Morija befand, für 50 Silberschekel abgekauft (2. Samuel 24,16–25). Auf dieser Tenne des Jebusiters Arauna wurde also der prächtige Tempel Salomos erbaut.


Sicherheitsschleußen kontrollieren den Zugang zur Klagemauer und zum Tempelberg. Direkt unterhalb der Kuppel des Felsendoms befindet sich das Stück Mauer, an dem die Juden vor Gott über den Verlust des Tempels klagen.

Heute kann auf dem Tempelplatz nur indirekt archäologische Forschung betrieben werden: Der Status quo, der den Moslems die Herrschaft über den Platz sichert, macht wissenschaftliche Untersuchungen unmöglich. Die moslemischen Machthaber haben auch kein Interesse daran nachzuweisen, dass der Gott Israels hier einen Tempel hatte. Beim Bau einer unterirdischen Moschee ab dem Jahr 2001 haben die moslemischen Bauherren in den sogenannten Ställen Salomos auf dem Tempelberg den Schutt achtlos auf einer städtischen Müllhalde abgeladen. Der israelische Professor Gabriel Barkay hat nun allerdings beim Durchsieben des Bauschutts sehr interessante Entdeckungen gemacht und Funde aus biblischer Zeit freigelegt: zum Beispiel eine Münze aus römischer Zeit mit der Aufschrift »Für die Freiheit Zions« sowie ein kleines Steinfragment, das offensichtlich vom herodianischen Tempel stammt. Am spektakulärsten sind jedoch eine babylonische Pfeilspitze, die von der Eroberung Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. zeugt, und ein kleines Tonsiegel, dessen Aufschrift man dahingehend interpretiert, dass es einer aus der Bibel bekannten Priesterfamilie aus der Zeit des ersten Tempels gehörte: dem Hause des Immer (vgl. 1. Chronik 9,12).


Jerusalem (B): 31.7777N, 35.2352E – Sichthöhe: etwa 2,5 Kilometer. Die Altstadt und ihre unmittelbare Umgebung bieten unzählige Sehenswürdigkeiten. Die wichtigsten sind die Klagemauer (3), der Felsendom (4), die Al-Aqsa-Moschee (5), der Park Ophel (6), der Garten Gethsemane mit der Kirche der Nationen (7), der Ölberg mit seinem riesigen jüdischen Friedhof (8), die Grabeskirche (9), die Zitadelle (10), der Zionsberg (11) und schließlich die Davidsstadt (12).

Außerhalb der Mauern des Tempelberges wurde fleißig geforscht: Edward Robinson legte schon bei Ausgrabungen im Jahr 1836 südlich der Klagemauer den nach ihm benannten Robinson-Bogen frei. Inzwischen weiß man, dass er zu einer riesigen Treppe gehörte, die auf den Tempelplatz führte. Weitere Ausgrabungen südlich des Bergs belegten leider die Zerstörung vieler historischer Kostbarkeiten durch die Bauten der jeweils nachfolgenden Herrscher der Stadt. Trotzdem haben israelische Wissenschaftler in diesem sogenannten Archäologischen Park Ophel seit 1968 bedeutende Funde gemacht: zum Beispiel den Palast einer Königin aus Nordmesopotamien, die sich um 50 n. Chr. in Jerusalem niederließ und zum jüdischen Glauben übertrat. Oder einen zwei Meter hohen Eckstein, der wohl im Jahr 70 n. Chr. von der Umfassungsmauer 35 Meter in die Tiefe stürzte und in dessen Nische vermutlich der Priester gestanden hatte, um Anfang und Ende des Sabbats auszurufen. Für weitere Informationen hierzu empfiehlt es sich, die sehr schön gestaltete Internetseite <www.archpark.org.il> zu besuchen.

Klagemauer (3)

Die größte Bedeutung hat Jerusalem zweifelsohne für die Juden. Es ist die einzige Stadt, die untrennbar mit der Geschichte, dem Glauben und dem Gott der Juden verbunden ist. Der Tempel war der Ort, an dem Gott gegenwärtig war, an dem ihm geopfert wurde. Schon in der babylonischen Gefangenschaft haben sich die Juden nach Jerusalem zurückgesehnt, wie es der 137. Psalm zum Ausdruck bringt: »Wenn ich dich jemals vergesse, Jerusalem, soll meine rechte Hand gelähmt werden. Meine Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich nicht mehr an dich denke, wenn Jerusalem nicht mehr meine höchste Freude ist« (Verse 5–6).

In der Diaspora wünschte man sich jedes Jahr am Passahfest: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« Seit 1967, als die Altstadt Jerusalems zurückerobert wurde, dürfen Juden wieder an der Klagemauer beten, nachdem es ihnen unter jordanischer Herrschaft verboten war. Dort beklagten sie 1900 Jahre lang die Zerstörung des herodianischen Tempels. Heute ist diese Westmauer, der Überrest des alten Tempelbezirks, die wichtigste Gebetsstätte des Judentums.

Grabeskirche (9) und Gartengrab

Als unüberschaubares Gebäude mit einer verwirrenden Anordnung von Kapellen, Nischen, Treppen, Altären und Kuppeln präsentiert sich die Grabeskirche in der Jerusalemer Altstadt. Ein christlicher Pilger, der sich hier das Leiden und Sterben Jesu bildhaft vor Augen führen möchte, mag enttäuscht sein und sich durch die zahllosen Kerzen, Lampen, Kultgegenstände und bildlichen Darstellungen in seiner Andacht gestört fühlen. Evangelisch geprägte Pilger werden wohl eher im Gartengrab über Kreuzigung und Auferstehung nachdenken können. Dort, wo die Tür einer in Fels gehauenen Grabanlage die Aufschrift trägt: »Er ist nicht hier! Er ist auferstanden!« (Lukas 24,6). Oder wo eine schroffe Felswand an einen Schädel erinnert und tatsächlich die Schädelstätte Golgatha sein könnte. Dort, wo zwischen blühenden Büschen, Blumen und Bäumen in einer ruhigen Oase mitten im lauten Jerusalem das Abendmahl gefeiert werden kann.

KOORDINATEN:
Grabeskirche: 31.7785N, 35.2295E
Gartengrab: 31.7844N, 35.2300E

Und trotzdem: Der Streit um die Authentizität des Grabes ist zugunsten der Grabeskirche entschieden. Die Zeugnisse für den Ort der Begräbnisstätte Jesu lassen sich bis in die urchristliche Zeit zurückverfolgen. Die Liste der Jerusalemer Bischöfe ist lückenlos, obwohl die Christen es in Jerusalem nicht immer einfach hatten. Kaiser Hadrian, der von 117 bis 138 n. Chr. regierte, ließ über der Grabstätte einen Venustempel und auf Golgatha eine Jupiterstatue errichten, Zeichen dafür, dass die zuvor stattgefundene Verehrung der Stätten durch die Nachfolger Christi zunichtegemacht werden sollte.


Die Kuppeln und Türme der Grabeskirche.

Die Christen wussten aber nach wie vor von der Existenz der Stätten, sodass die Heilige Helena nach ihrer Pilgerreise im Jahr 326 ihren Sohn und neuen Kaiser Konstantin den Großen darauf aufmerksam machen konnte, dort das zentrale Heiligtum des Christentums zu errichten. In einer unterirdischen Zisterne fand Helena mehrere Holzkreuze der Römer, wovon sie eines als das Kreuz identifizierte, an dem Jesus starb. Daher gibt es in der Kirche auch eine Krypta der Kreuzauffindung. Für die Echtheit ihres Fundes gibt es einen Beleg: In der Kirche Santa Croce in Gerusalemme in Rom wird heute ein Teil der Holztafel aufbewahrt, die nach Angaben der Evangelien über dem Kreuz Jesu angebracht war. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen spricht vieles dafür, dass es echt ist (siehe auch im Kapitel Fundstücke ab S. 167: Reliquien).

Durch die Jahrhunderte hindurch ist die Grabeskirche immer wieder zerstört, aufgebaut und erweitert worden. Die verworrene Bauweise verwundert daher nicht, zumal ein Erdbeben sie 1927 auch noch beschädigt hat und die Restaurierungen wegen komplizierter Besitzverhältnisse nur zögerlich und unvollständig durchgeführt werden konnten.

Im Kirchengebäude sind sechs christliche Denominationen untergebracht, die leider nicht in einer liebevollen Einheit im Sinne Christi zusammen leben und arbeiten. Zum gemeinsamen Besitz zählen nur das Christusgrab und der Salbungsstein. Darüber hinaus besitzt die griechisch-orthodoxe Kirche das Langhaus, das sogenannte Katholikon sowie die nördliche Hälfte von Golgatha mit der darunterliegenden Adamskapelle. Des Weiteren das Gefängnis Christi und kleinere Räume in der Rotunde. Der römisch-katholischen Kirche gehören die südliche Hälfte von Golgatha mit dem Altar der Kreuzannagelung, der Chorraum zwischen Rotunde und Katholikon sowie die Erscheinungskapelle und der Altar der Maria Magdalena. Die armenisch-orthodoxe Kirche nimmt für sich die Stelle der drei Marien, die Kapelle der heiligen Helena, einen Raum der Rotunde und eine kleine Kapelle in Anspruch. Der koptischen Kirche gehört eine weitere Kapelle in der Nähe des Grabes Christi, die syrische Kirche besitzt eine Kapelle in der Rotunde und der äthiopisch-orthodoxen Kirche, den Abessiniern, gehört das sogenannte Grab des Josef von Arimathäa.

Für die Außenfassade der Grabeskirche gibt es keine Regelung der Besitzverhältnisse und daher ist jede bauliche Veränderung stets Angelegenheit aller Denominationen. So kommt es, dass man auch heute noch eine Leiter sieht, die an das rechte obere Fenster über der Eingangstür angelehnt ist. Diese mittlerweile schon berühmt gewordene Leiter befindet sich dort schon seit geraumer Zeit: Den ältesten Hinweis liefert ein Gemälde vom Ende des 19. Jahrhunderts, auf dem die Leiter auch schon am Fenster lehnt – an exakt derselben Stelle. Es soll wohl schon Beratungen gegeben haben, was mit dieser Leiter geschehen solle. Da es aber nie zu einer Einigung kam, blieb sie an Ort und Stelle.

Zitadelle (10), Zionsberg (11) und Davidsstadt (12)

Weitere interessante Orte in der Altstadt sind die Zitadelle und der
Zionsberg. In einem Palast in der Zitadelle residierte wahrscheinlich der Statthalter Pontius Pilatus, Bauherr war auch hierfür Herodes der Große. Das heutige Aussehen geht auf die Mamelucken im 14. Jahrhundert zurück. In der Zitadelle kann heute eine Ausgrabungsstätte und ein Museum über die Geschichte Jerusalems besichtigt werden.

Auf dem Zionsberg befindet sich die katholische Dormitio-Kirche, das Davidsgrab, das allerdings nicht authentisch ist, sowie der Abendmahlssaal, ein 10 mal 16 Meter großer Raum mit gotischer Gewölbedecke.

Die Davidsstadt südlich des Tempelbergs war das ursprüngliche Jerusalem zur Zeit Davids. Sie war bis in die römische Zeit bewohnt und wurde dann im Mittelalter aufgegeben, als die Stadt ins Innere der heutigen Altstadtmauer verlegt worden war.

KOORDINATEN: Fundamente des David-Palastes: 31.7719N, 35.2359E

In jüngster Zeit wurden an freien Stellen Ausgrabungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind spektakulär: Eine gewaltige steinerne Stufenkonstruktion deutet darauf hin, dass hier die Festung Zion (2. Samuel 5,7) gestanden hatte, die David von den Jebusitern eroberte und zu seinem Palast umbaute.

Garten Gethsemane (7)

Am Fuß des Ölbergs mit seinem großen jüdischen Friedhof (8) liegt der Garten Gethsemane mit acht uralten Ölbäumen. Hier wurde Jesus
gefangen genommen, die Kirche der Nationen erinnert daran. Sie wurde 1924 an der Stelle errichtet, wo sich schon seit dem 4. Jahrhundert eine Basilika befand, deren Grundriss im Fußboden der modernen Kirche sichtbar ist.


Die Kirche der Nationen im Garten Gethsemane.

Prophetie wird Geschichte

Drei Orte in Jerusalem können nicht direkt als biblische Stätten gelten, doch ihre Bedeutung für das Verständnis der Bibel ist groß: Das
Israel-Museum zeigt die historischen Wurzeln des modernen Staates, die Gedenkstätte Yad Vashem bringt dem Besucher eindrücklich die Ereignisse während des Holocausts nahe. Und in der Knesset schließlich, was übersetzt Versammlung heißt und ein Begriff aus der Bibel ist, wird der moderne Staat Israel regiert. Ein Staat, der als Erfüllung biblischer Prophetie gelten muss: Nach 1900 Jahren haben erstmals Juden wieder die Herrschaft über das Land erlangt, das Gott Abraham, Isaak, Jakob und ihren Nachkommen versprochen hat:

Da erschien der Herr Abram und sprach: »Ich werde dieses Land deinen Nachkommen geben!« Und Abram baute dort dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar (1. Mose 12,7).


Jerusalem (C): 31.7743N, 35.2056E – Sichthöhe: etwa 2,1 Kilometer.
Das Israel-Museum (13 –17), die Knesset (18), das mittelalterliche Kreuzkloster (19), das Bibelland-Museum (20) sowie das Charles-Grossberg-Stadion (21) der Hebräischen Universität.

Das Israel-Museum besteht aus unterschiedlichen Abteilungen, die ein facettenreiches Bild des Landes zeigen. Ein Besuch kann viele Stunden in Anspruch nehmen. Das biblische und archäologische Museum (13) zeigt Exponate von der Steinzeit bis ins Mittelalter, darunter natürlich viele Funde aus biblischer Zeit. Weitere Abteilungen behandeln die Themen Kunst und Judaica (14), außerdem finden Wechselausstellungen (15) statt und es gibt einen Kunstgarten (16). Im Schrein des Buches (17) sind die Schriftrollen aus Qumran aufbewahrt und teilweise auch ausgestellt. Eine Kopie der nahezu vollständigen Jesaja-Rolle ist in kompletter Länge ausgebreitet. Der Bau ist dem Verschlussdeckel eines Tonkruges aus Qumran nachempfunden und aus der Luft gut zu erkennen.

Die Knesset ist die gesetzgebende Körperschaft in Israel. Ihren Namen und die Anzahl von 120 Abgeordneten übernahm sie von der Knesset HaGedola (auf Deutsch: Große Versammlung), der unter Esra und Nehemia im 5. Jahrhundert v. Chr. in Jerusalem einberufenen jüdischen Ratsversammlung. Das Knesset-Gebäude (18) wurde 1966 eingeweiht.


Jerusalem (D): 31.7738N, 35.1769E – Sichthöhe: etwa 1,6 Kilometer.
Yad Vashem wurde 1957 gegenüber dem Herzl-Berg (22) errichtet und erinnert an die sechs Millionen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Am Eingang gibt es ein Besucherzentrum (23), im Hintergrund befindet sich das Verwaltungsgebäude und die Schule für Holocaust-Studien (24). Dazwischen liegt die Kindergedenkstätte (25) zur Erinnerung an eine Million ermordeter Kinder. Die Allee der Gerechten (26) führt zum Historischen Museum (27). Am anderen Ende des futuristischen Neubaus von 2005 liegt die Halle der Namen (28). Im großen zentralen Gebäudekomplex (29) sind ein Kunstmuseum, eine Synagoge, die Halle der Erinnerung sowie ein Dokumentations- und Fotoarchiv untergebracht. Gut zu sehen ist noch die Gedenkstätte für die jüdischen Soldaten und Partisanen (30). Ein Eisenbahnwaggon der Deutschen Reichsbahn (31) erinnert an die Deportierten, im Tal der Gemeinden (außerhalb des Kartenausschnitts) sind die Namen der jüdischen Gemeinden in Europa in Stein gemeißelt.

KOORDINATEN:

Tal der Gemeinden: 31.7742N, 35.1711E

Eisenbahnwaggon als Denkmal zur Erinnerung an die Deportierten: 31.7732N, 35.1731E

Die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem erstreckt sich über ein weitläufiges Areal auf dem Hügel des Gedenkens, dem Har HaZikaron. Yad Vashem heißt Denkmal und Name und leitet sich von Jesaja 56,5 ab: »Ich werde ihnen in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal setzen. Ich werde ihnen einen Namen verleihen, der sehr viel mehr wert ist als Söhne oder Töchter.«


Die Halle der Erinnerung mit der Gedenkflamme für die Opfer und den Namen der 22 größten Konzentrationslager.

Einen ausführlichen Artikel über die »Gerechten unter den Völkern« finden Sie unter <www.bible-earth.net> in der Kategorie Extras.