Lügt die Bibel, wenn Felsen die Wahrheit verkünden?

Eine Buchbesprechung zu »The Rocks Don't Lie«

28.11.2012

Rocks-Buchtitel
Das Buch »The Rocks Don't Lie« von David R. Montgomery

Viele Menschen tun sich heute sehr schwer mit der Geschichte von der Arche Noah. Russell Crowe, Hauptdarsteller im kommenden Noah-Film, brachte dies vor einiger Zeit über Twitter zum Ausdruck: Wie passt die biblische Geschichte mit unserem heutigen Denken und Wissen zusammen? Ist die Erzählung von Noah und der Sintflut nicht nur ein uraltes Märchen?

In seinem neuen Buch »The Rocks Don't Lie« – »Felsen lügen nicht« – macht sich der Geowissenschaftler David R. Montgomery auf die Suche nach der Sintflut Noahs, ganz im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, deren Ansicht er so zusammenfasst:

»Heute lächeln die Geologen normalerweise über die Sintflut und verwerfen sie mit einem Achselzucken als Relikt aus einer anderen Epoche. Doch viele Jahrhunderte lang war es die einhellige Meinung unter Christen und Naturphilosophen, dass Noahs Flut die Welt geformt hatte. Was sonst könnte es gewesen sein?« (S. 9, Seitenangaben beziehen sich auf die englische Ausgabe von 2012)

David R. Montgomery lehrt an der University of Washington und hat bereits ein Buch veröffentlicht, das auf Deutsch erschienen ist: »Dreck«. Darin geht es um den Boden unter unseren Füßen und welche Bedeutung er für uns Menschen hat, die empfindliche Haut der Erde sollte nicht wie Dreck behandelt werden. Nach einem Buch über Ökologie geht es nun um Religion.

Geschichte der Sintflutgeologie

»The Rocks Don't Lie« gibt einen ausführlichen Einblick in die Geologiegeschichte. Die Überzeugung der Forscher hat sich entscheidend gewandelt: Früher war die Geologie unmittelbar mit der Suche nach der Sintflut verbunden – ganz einfach, weil man von ihr als Tatsache ausging. Heute verschwenden die meisten Geologen keinen Gedanken mehr an die biblische Sintflut.

»Jahrhundertelang interpretierten Christen wissenschaftliche Entdeckungen im Glauben daran, dass Gottes Wort (die Bibel) und seine Schöpfung (die Natur) miteinander im Einklang sein müssen […] Die meisten frühen Geologen waren Geistliche, die davon überzeugt waren, dass die Gesteine die Natur der Werke Gottes offenbaren – genauso, wie die Bibel sein Wort offenbart.« (S. 12)

Montgomerys persönliches Fazit, dass er aus den Erkenntnissen der Geologie und ihrer Geschichte zieht, sieht so aus:

»Das Vor-und-zurück, das Hin-und-her zwischen Wissenschaft und Religion im Lauf der Geschichte gleicht eher einem Tanz als einem Krieg […] Auch wenn wir die Erzählung nicht mehr wörtlich nehmen können – wir alle können von ihr lernen. Die Geschichte um die Flut-Geschichte zeigt, dass es für Wissenschaftler ebenso wichtig ist, in der Deutung neuer Daten flexibel zu sein, wie für Theologen, dass sie sich nicht auf unglaubwürdige Argumente stützen müssen, wie der Behauptung, dass die Felsen lügen.« (S. 247)

Er zeigt auf, wie Wissenschaftler zur Überzeugung gekommen sind, dass die Bibel nicht wörtlich zu nehmen sei. Im Rahmen dieser konventionellen Überzeugung macht er sich auf die Suche nach den Wurzeln der Sintflutgeschichte – und orientiert sich dabei recht wenig an der Bibel.

Zu Beginn seines Ausflugs in die Geschichte geht er sehr intensiv auf die christlich geprägte Erforschung der Erdgeschichte ein und beschreibt die damalige Einstellung, die wissenschaftliche Wahrheit könne eigentlich nur die biblische Wahrheit unterstützen, die geschaffene Welt könne nicht ihren Schöpfer widerlegen (siehe S. 37). Eine Zuversicht, die man sich in der heutigen Zeit wünschen würde.

Montgomery erinnert daran, wie schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus am wörtlichen Verstehen der Schöpfungsgeschichte gezweifelt wurde. Philosophen und Theologen suchten nach den »Geheimnissen« hinter dem »Anschein von Historie« (S. 36). Immer mehr habe sich – so der Autor – die Erkenntnis durchgesetzt, dass nicht alle Menschen die Nachkommen eines jüdischen Patriarchen sein konnten. Dies allerdings behauptet die Bibel gar nicht, denn Noah war ausdrücklich der Vorfahre aller Völker. Hier sieht man bereits, dass Montgomery eine sehr späte Niederschrift der biblischen Bücher voraussetzt.

An der Landspitze »Siccar Point« in Schottland war nach den Ausführungen Montgomerys die Geburtsstunde des Aktualismus – dem Prinzip, dass die geologischen Prozesse der Vergangenheit mit den heute gemachten Beobachtungen erklärt werden könnten. Hier hätten die »die Geologen die kreationistische Sicht auf eine von der Sintflut geprägte junge Erde widerlegt, lange bevor Darwin anfing, über Evolution nachzudenken.« (S. 28)

Ein Bild von dort ziert den Titel des Buches und der Autor ist überzeugt: »Es ist unmöglich, an Siccar Punkt zu stehen und zu glauben, dass die Zeugnisse der Felsen zu einer Zeit von gerade einmal 6000 Jahren passen.« (S. 113)

SiccarPoint
Die Hutton-Diskordanz am Siccar Point im Norden Schottlands (Foto: Wikipedia, »Lysippos«)

Damit sieht er die biblischen Zeitmaßstäbe ein für allemal als widerlegt an. Nun stellt er die provozierende Frage an gläubige Christen: »Glauben Sie das, von dem sie schon immer überzeugt waren, oder passen Sie Ihre Überzeugungen an neue Erkenntnisse an?« (S. 36) Montgomery beschreibt, wie der Aktualismus zum Gegenpol des von der Bibel geprägten Verständnisses der Erdgeschichte wurde und durch eine geradezu ideologische Ausprägung weitere Bestrebungen zum Erliegen brachte, die Sintflut in den Gesteinsschichten nachweisen zu wollen.

Obwohl das Aktualitätsprinzip noch immer als die grundlegende wissenschaftliche Methode in der Geologie gilt, zeigt Montgomery deutlich auf, welche maßgebliche Rolle auch Katastrophen in der Formung der Erdoberfläche gespielt haben müssen. Hier führt er als Beispiele die Channeled Scablands in Nordamerika an und auch die Überschwemmungskatastrophe am Schwarzen Meer, die vielen heutzutage als das historische Vorbild der Noah-Flut gilt.

Montgomery gibt die Schwierigkeit zu, Beweise für etwas zu sehen, von dem man sicher sei, dass es nicht existieren könne. Die Forscher waren sich sicher: Die Prägung der Topografie durch enorme Überschwemmungen ist unmöglich. Er beschreibt ohne Beschönigung, wie festgefahren der Aktualismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war: »Anti-katastrophische Ansichten waren so sehr im gebräuchlichen Denken verankert, dass es nahezu das ganze Jahrhundert über dauerte, die ketzerischen Gedanken eines jungen Emporkömmlings zu akzeptieren, der die Beweise für eine gigantische Flut [in den Channeled Scablands] entdeckt hatte.« (S. 198f)

»Dieses Mal war es die wissenschaftliche Gemeinschaft, die es ablehnte, die Beweise anzuerkennen.«

Er schließt daraus: »Nicht einmal Wissenschaftler sind immun dagegen, Beweise – zumindest anfangs – durch die Linse ihrer vorherrschenden Ideen und vorgefassten Meinungen zu interpretieren.« (S. 80)

Erst in den 1960er Jahren erkannte eine größere Anzahl von Geologen die Erkenntnisse des inzwischen gealterten »jungen Emporkömmlings« J Harlen Bretz an und schrieben ihm ein Glückwunschtelegramm: »Wir sind nun alle Katastrophisten.« (S. 210) Auch wenn Montgomery vom Einfluss großer Katastrophen auf die Gestaltung der Erdoberfläche überzeugt ist, hinterfragt er keineswegs die allgemein angenommenen Jahrmillionenprozesse. Er stellt der konventionellen Geologie einzig die kreationistische Ansicht entgegen, die Sintflut habe im Lauf eines einzigen Jahres alle Schichten abgelagert. Er holt zum großen Schlag gegen den amerikanischen Kreationismus aus!

Das kreationistische »Kartenhaus«

Montgomery hat nach meiner Ansicht recht, wenn er im Blick auf die biblische Sintflut schreibt: »Eine einzige gigantische Flut kann die Geologie des Grand Canyons nicht erklären.« (S. 27)

»Um die Ablagerungen des Grand Canyons zu erzeugen, hätte eine einjährige Flut jeden Tag mehr als drei Meter an Sedimenten ablagern müssen.« (S. 22)

Er schlussfolgert aus dieser Erkenntnis: »Kreationisten lehnen die konventionelle Geologie ab und interpretieren die Zeugnisse der Felsen selektiv, um ihre Meinung zu stützen, alle fossilhaltigen Gesteine seien von der Sintflut abgelagert worden und sie habe die weltweite Topografie innerhalb eines einzigen Jahres geformt. In einer so kurzen Zeitspanne wäre eine Flut epischen Ausmaßes der einzige geologische Mechanismus, der dies tun könnte. Dies ist alles, was die Kreationisten haben, um die Erdgeschichte zu erklären. Ohne diese Erklärung fällt ihre Weltsicht zusammen wie ein Kartenhaus.«

Montgomery hat wenig Verständnis für diese wörtliche Interpretation der Bibel durch heutige Kreationisten. Leider geht er fast gar nicht auf Fragen der Bibelauslegung ein und berücksichtigt alternative Argumentationen in der Schöpfungsforschung überhaupt nicht. So verwirft beispielsweise Manfred Stephan in seinem Buch »Sintflut und Geologie« (es gibt dazu auch eine Internetseite) die Vorstellung ebenfalls, ein Großteil der Gesteinsschichten hätten sich alleine während eines einzigen Sintflutjahres abgelagert – und hält trotzdem an einem bibeltreuen Verständnis fest. Leonard Brand (»Wholistic Geology«) hat einen ähnlichen Ansatz auf Englisch veröffentlicht, so dass Montgomery auf diese Alternativen hätte stoßen müssen, wenn er sich sorgfältig mit den unterschiedlichen Strömungen der Schöpfungsforschung befasst hätte. Stephan und Brand sind der Auffassung, dass auch vor und/oder nach der Sintflut Katastrophen stattgefunden haben und die Erdoberfläche ausgeprägt haben.

SiccarPoint
Nicht alle Schichten in einem Jahr: Es gibt auch alternative Erklärungen in der Schöpfungsforschung

Durch seine einseitige Darstellung setzt Montgomery eine bestimmte Form der textgetreuen Auslegung der Bibel mit einer Ablehnung der Fakten gleich und begründet dies für den Laien sehr überzeugend: »Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Welt viel älter ist, als die Kreationisten das zulassen.« (S. 11)

Den Blei-Uran-Zerfall und das Fehlen moderner Tiere in den unteren Gesteinsschichten sieht er als die deutlichsten Beweise für eine alte Erde – sowie auch die Tatsache, dass die Geologen schon vor Darwin von einer alten Erde überzeugt waren.

Somit bringt Montgomery massive Argumente gegen den wörtlichen Glauben an die Bibel und plädiert dafür, angesichts der »nicht-lügenden Felsen« die Interpretation der Bibel an die für ihn feststehenden Fakten anzupassen. Er wendet sich also nicht gegen den christlichen Glauben und begrüßt es, wenn Christen die Bibel so auslegen, dass sie mit den vermeintlichen Tatsachen übereinstimmen. Auf alternative, von bibelgläubigen Wissenschaftlern vorgebrachte Deutungsmöglichkeiten geht er nicht ein. Im Gegenteil wirft er alle »Kreationisten« in einen Topf und stellt sie noch als latente Bedrohung für die Gesellschaft dar: »Während Mainstream-Protestanten und -Katholiken ihre Bibelauslegung an die Vereinbarkeit mit der Geologie anpassten, verteidigt eine neue Generation von amerikanischen Fundamentalisten die Wirklichkeit einer weltzerstörenden Flut als Dreh- und Angelpunkt ihres Glaubens.« (S. 182)

»Mit der Behauptung, den wahren Glauben zu verteidigen, kombinierten die neuen, militanten Fundamentalisten biblische Irrtumslosigkeit mit einem wortwörtlichen Verständnis.« (S. 184)

Montgomerys Beweise für eine lange Erdgeschichte erscheinen für den Laien recht schlüssig. Obwohl an einigen Beispielen schon nachgewiesen werden konnte, dass anstelle von Jahrmillionen dauernden Prozessen durchaus äußerst kurze und schnell ablaufende geologische Vorgänge alternative Erklärungsmöglichkeiten bieten können, sehen sich die Vertreter einer Kurzzeit-Erdgeschichte zugegebenermaßen noch vielen Fragezeichen gegenüber. Auf einige schwerwiegende Anfragen, die aber auch an die langen Zeiträume gestellt werden können, geht Montgomery nicht ein. Sein wichtigstes Zeugnis – das auch in der Geologiegeschichte ausschlaggebend war – ist Siccar Point: »Siccar Point steht als Naturdenkmal für die unvorstellbar langen Zeitspannen, die für geologische Ereignisse nötig sind.« (S. 96)

Die wiederholte Abfolge von Ablagerung und Erosion sieht er als zwingend für lange Zeiträume an – ob diese aber nur lang im Vergleich zu einem Sintflutjahr sein müssen oder tatsächlich Millionen Jahre brauchen, diskutiert er allerdings nicht. Das Fehlen von reliefartig erodierten Landoberflächen zwischen den Gesteinsschichten der »Hutton-Diskordanz« lässt nämlich – nicht nur an dieser Stelle – die postulierten Jahrmillionenprozesse fraglich erscheinen.

Weitere Argumente werden nur oberflächlich diskutiert und zeigen, dass sich seine Auseinandersetzung mit dem Kreationismus wohl weitgehend in Montgomerys Besuch des Creation Museums in den USA sowie der Lektüre einschlägiger Literatur erschöpft.

Bibel-Black-Box

Man würde sich wünschen, Montgomery hätte sich ausführlicher mit dem Bibeltext befasst, um seine Argumentation zu untermauern. Leider ist dies nicht nur ausgeblieben, in seinen Passagen über das kreationistische Buch »The Genesis Flood« verurteilt er das an der Bibel orientierte Vorgehen der Autoren Whitcomb und Morris ausdrücklich. Für ihn ist die Bibel eine Art »Black Box«, deren Botschaft ihn nicht wirklich zu interessieren scheint und deren Auslegung sich gefälligst an den wissenschaftlichen Fakten zu orientieren hat. Eine der wenigen Stellen, an der »The Rocks Don‘t Lie« auf eine biblische Aussage eingeht, unterstreicht diese Vermutung: Als dürftigen Beweis dafür, dass die Bibel von einer flachen Erde ausgehe, führt er Daniel 4,17 an: »Der Baum, den du gesehen hast, der groß und mächtig wurde und dessen Höhe an den Himmel reichte und der zu sehen war auf der ganzen Erde« – übrigens fälschlicherweise mit Vers 20 angegeben (siehe S. 50).

Insgesamt setzt Montgomery voraus, dass die Bibel während des babylonischen Exils entstanden ist. Gute Argumente für die Verfasserschaft Moses – etwa 900 Jahre früher – ignoriert er.

»Als ein grundlegendes Element ihrer Lokaltradition, ist [die Noah-Erzählung] eine Geschichte, die von den Juden übernommen wurde, während sie in der Gefangenschaft an den Flüssen Babylons weinten.« (S. 156)

Er beschreibt anschaulich die Entzifferung der Keilschrift und die Entdeckung des Gilgamesch-Epos, übergeht aber die Diskussion um die Ursprünglichkeit der auch dort erwähnten Sintflut-Geschichte.

»Wie konnte die biblische Flutgeschichte als Inschrift auf einer zerbrochenen Tontafel stehen – gefunden in einer sumerischen Bibliothek, älter als die Bibel selbst?« (S. 143) Fasst nie lässt er die Bibel sprechen und geht nicht auf ihr Selbstverständnis ein. Sie ist eine fremdartige, von Menschen niedergeschriebene »Black Box«. Die Existenz Gottes und der biblische Anspruch, Gottes offenbartes Wort zu sein, werden nicht in Betracht gezogen. Allerdings ist es ihm als Geowissenschaftler kaum vorzuwerfen, dass er die teilweise erschreckend simple Bibelkritik heutiger Theologen und eine atheistische Sicht auf die Heiligen Schriften unreflektiert übernimmt. Viele Kirchenvertreter glauben längst nicht mehr an die Zuverlässigkeit der Bibel. Hier hat Montgomery, wie er glaubt, besseres zu bieten: Denn Felsen lügen nicht.

Vernünftige Christen

Montgomery sieht drei Möglichkeiten, mit der Tatsache umzugehen, dass die Fakten seiner Meinung nach der Bibel widersprechen:

  • Säkularer Modernismus (Atheismus)
  • Mainstream-Christentum (Kompromiss durch Relativierung biblischer Aussagen)
  • Reaktionärer Fundamentalismus (Rückschritt in überholte Denkmuster)

Obwohl er selbst einen eher atheistischen Standpunkt einnimmt, reicht er vernünftigen Christen die Hand, also jenen, die bereit sind, ihre Glaubensgrundlagen an der Vernunft auszurichten, denn »Kreationisten und militante Atheisten […] teilen nichts weniger als die Ansicht, dass der Glaube an Gott und die Wissenschaft nicht miteinander vereinbar sind.«

Auch auf sich selbst bezogen, schlägt Montgomery versöhnliche Töne an: »Ich war mit der Ansicht der meisten Geologen angetreten und habe die Sintflut als ein Märchen angesehen – einem uralten Versuch, das Geheimnis zu lüften, wie Meeresfossilien auf hohen Berggipfeln landen konnten. Nun bin ich überzeugt worden, dass die Geschichte von Noahs Flut – und die vielen anderen Flutüberlieferungen – in der Wahrheit verwurzelt ist.« (S. 253)

Der Autor von »The Rock Don't Lie« respektiert gläubige Menschen – solange sie ihre Glaubensgrundsätze an der Vernunft und vermeintlich unverrückbaren wissenschaftlichen Fakten ausrichten. Ein solcher Glaube wird heute tatsächlich von vielen Christen gelebt, die Autorität der Bibel muss sich bei ihnen der Wissenschaft unterordnen. Glaube und Vernunft werden mitunter als getrennte Ebenen gesehen, die recht wenig miteinander zu tun haben.

Montgomery übersieht: Es gibt viele Christen, die die Bibel ernst nehmen, dabei aber über die scheinbaren Widersprüche gar nicht weiter nachdenken. Sie nehmen die Schöpfungsgeschichte ebenso wörtlich wie die Verheißungen Gottes für unser Leben. Einmal hat es den Anschein, dass Montgomery es gar nicht so gut findet, dass seit der Reformation die Deutungshoheit über die biblischen Aussagen vom Klerus auf das einfache Volk übergegangen ist (siehe S. 250).

Müssen sich vernünftig denkende Menschen überlegen, ob sie sich für einen faulen Kompromiss zwischen Wissenschaft und Bibel entscheiden, oder sich besser gleich ganz vom Glauben abwenden?

Bei genauerer Recherche hätte Montgomery vielleicht entdeckt, dass es Menschen gibt, die an der biblischen Version der Erdgeschichte festhalten und Argumente dafür gefunden haben, die weit über das hinaus gehen, was vor 50 Jahren bekannt war, als Morris und Whitcomb »The Genesis Flood« veröffentlichten.

So bleibt für ihn nur die Konsequenz: »Wir können endlos darüber diskutieren, wie man die Bibel auslegt – aber die Felsen lügen nicht! Sie erzählen, wie es war.« (S. 257, Schlusssatz des Buches)

Fazit

Das Buch bietet verschiedene interessante Denkanstöße, im Spannungsfeld von Bibel und Wissenschaft weiterzuforschen.

Der Einblick in die Geologiegeschichte ist gewinnbringend und er erinnert an Forscher, die zuversichtlich der Meinung waren, dass Glaube und Vernunft zusammenpassen. Was das Buch problematisch macht, ist seine populärwissenschaftliche Ausrichtung mit auf den ersten Blick recht schlüssigen Argumenten. Interessierte Laien können seine lebendigen Schilderungen sicher gut nachvollziehen und nehmen die massiven Einwände gegen eine an der biblischen Chronologie orientierten kurzen Erdgeschichte zur Kenntnis, ohne differenzierte Vorschläge zur bibelorientierten Interpretation der wissenschaftlichen Daten angeboten zu bekommen.

Montgomery unterstellt den Bibelgläubigen eine große Kreativität, um die wörtliche Auslegung aufrecht zu erhalten und stellt das Vertrauen in die Bibel als naiv dar. Der Bibel widersprechende Beweise würden verworfen oder ignoriert (siehe S. 228).

Der Kompromiss zwischen Glaube und Vernunft, den Montgomery anbietet, ist auf den ersten Blick eine attraktive Lösung: »Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es unmöglich ist zu sagen, ob die Sintflut auf die Schwarzmeer-Flut zurückgeht oder auf eine große mesopotamische Überschwemmung. Wie faszinierend auch jede dieser zwei Ansichten klingen mag, sie bieten offensichtlich beide einleuchtende, vernünftige Erklärungen.« (S. 223)

Bei genauem Hinsehen kommt ein solcher Kompromiss jedoch einer Kapitulation nahe: Wenn das feste Vertrauen in die Bibel – in Gottes Wort – aufgegeben wird, sind alle Glaubensaussagen relativierbar. Selbst der Wahrheitsanspruch von Jesus Christus wird hinfällig, da dieser sich in den Evangelium des öfteren auf die biblische Urgeschichte bezieht. Sollte es Jesus nicht besser gewusst haben?

Zu den Juden sagte Jesus: »Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben.  Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?« (Johannes 5,46+47)

Und so ist »The Rocks Don't Lie« ein problematisches Buch, obwohl sich der Autor angenehm von den streitbaren Atheisten der neueren Zeit abhebt, die den christlichen Glauben am liebsten abschaffen würden. Denn das Aufgeben der biblischen Urgeschichte zugunsten einer angeblich wissenschaftlich so sehr gefestigten Geschichte von der Entwicklung des Lebens und der Ablagerung von Gesteinen im Laufe von hunderten Jahrmillionen bringt grundlegende Glaubensüberzeugungen ins Wanken: Es geht nicht nur um unwichtige Details, sondern um heilsgeschichtliche Zusammenhänge zwischen Schuld und Vergebung, Erlösung und Auferstehung.

Leider scheint der Autor bessere Ansätze in der Schöpfungsforschung nicht zu kennen, mit denen versucht wird, die Erkenntnisse der Geologie zu deuten. Ein Diskussionsbeitrag von Manfred Stephan, Autor des bereits erwähnten Buches »Sintflut und Geologie« ist im Internet verfügbar und bietet eine aufschlussreiche Übersicht über eine mögliche Kurzzeit-Erdgeschichte, die mit der Bibel vereinbar ist: http://www.wort-und-wissen.de/disk/d03/2/d03-2.pdf

Timo Roller

Literatur

David R. Montgomery: »The Rocks Don't Lie«, 2012

David R. Montgomery: »Dreck«, 2010

Manfred Stephan: »Sintflut und Geologie«, 2010

John C. Whitcomb and Henry M. Morris: »The Genesis Flood«, 1961

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